Normalerweise bin ich nicht allein unterwegs. Und wenn doch, dann nur gut geplant, durchdacht, durchgesichert. Aber heute ist anders. Mein Fahrer fiel aus, es gab keine Alternative – also stieg ich in den Bus nach Wiesbaden.
Ich habe schon oft darüber geschrieben. Viele haben berichtet, ich habe es bejaht – aber es ist lange her. Schon zu Beginn sitze ich an der Haltestelle und muss mich selbst daran erinnern: Nicht abschweifen, nicht in Gedanken versinken. Sonst verpasse ich am Ende noch den Bus. Ist schließlich schon öfter passiert – eine Stunde zu früh, zu spät, den Bus, den Zug oder sogar das Flugzeug verpasst, obwohl ich pünktlich da war.
Dann sehe ich den Bus – auf der anderen Straßenseite. Obwohl ich mich vorher informiert habe, dass ich richtig bin, renne ich los. Panisch. Verwirre den Fahrer. Hätte ich nur gewartet – er hätte sowieso die Seite gewechselt. Herz rast. Alles wie immer. Doch er lässt mich einsteigen. Ich setze mich auf den perfekten Platz – hinter dem Fahrer, schwarzes Plexiglas vor mir. So geht es. Es geht halt.
Aber dann – was ist das?
Ein Ton, der direkt ins Nervensystem fährt. Ohne Umwege. Als wolle er mein Gehirn perforieren, nur um eine Haltestelle anzukündigen. Schlimmer als in meiner Erinnerung. Und die war schon schlimm.
Jedes Mal schrecke ich zusammen. Und jedes Mal denke ich: Was um Himmels willen ist das? Dieser Ton, dieses Piepen – ein Angriff auf mein Nervenzentrum.
Und dann das Geräusch, wenn der Bus hält. Mein Kopf schreit: Ist das mein Ausstieg? Hab ich die Zeit verloren? Bin ich wieder zu spät oder zu früh? Natürlich habe ich mir einen Wecker gestellt – aber mein Hirn vertraut mir nicht. Vertraut auch nicht der Anzeige. Es ruft: Puff! Halt! Los jetzt! RENN!
So müssen sich Menschen fühlen, deren System permanent im Alarmzustand ist: Flucht – Aktion – Handlung – jetzt – sofort – sonst geht alles schief!
Doch jedes Mal hält der Bus einfach nur an einer Ampel. Oder an einer Kreuzung.
In Wiesbaden klingelt mein Wecker. Und wieder: Puff – PIEP – Angriff aufs Nervenzentrum. Mein Herz rast, mein Blutdruck steigt. Und irgendwann… bin ich wirklich da.
Ich sehe mich um. Bin ich wirklich angekommen? Ich prüfe. Und dann ist da Karin. Sie erleichtert mein Leben allein durch ihre Anwesenheit. Ich laufe neben mir her, lasse das Herzrasen hinter mir – und weiß: Da ist jemand, der mich versteht. Der glaubt, wenn ich sage, dass Busfahren mich Energie kostet. Dass es Kraft zieht. Dass der Rücken steif wird.
Und weil ich verstanden werde, ist es plötzlich gar nicht mehr so schlimm. Weil das Gesehen-Werden zählt. Es ist okay.
Gemeinsam gehen wir zu Galeria Kaufhof, freuen uns auf den Vortrag und das Interesse der Mitarbeitenden – wir setzen ein Zeichen in Wiesbaden.
Auf dem Heimweg werde ich abgeholt.

